Der Schrein

Ich hab‘ ihr einen 
Schrein gebaut,
aus dem,
wenn ich vorbei geh‘
schaut,
sie mich 
mit hohlem 
Lächeln an. 
Das viel und alles
sagen kann,
mich einfängt,
wahrheitswabernd,
süß. 

Im Schrein,
ihr Geist, 
den ich wohl 
rief,
ein Zerrbild, 
Spiegelscherbenleiche.
Ein Schrei im
Schrein,
und ich erbleiche,
erschrecke, 
kniee im Morast. 
Und breche 
wie ein morscher Ast. 

Besser ich sag was dazu, um niemanden zu beunruhigen.

Ich meditiere täglich, mindestens einmal am Morgen und praktiziere das seit etlichen Jahren. Manchmal gelingt mir innerer Frieden für ein paar Sekunden. Manchmal blitzt eine Mini Erkenntnis auf, manchmal fühle ich eine tiefe Verbindung, manchmal laufen Tränen der Trauer und des Seelenschmerzes. Manchmal ist es einfach nur anstrengend, doof und scheiße.

Das ist normal!

Und manchmal finden mich, so wie heute am sehr frühen Morgen, Worte, die ich als Hinweis darauf interpretiere, genauer hinzuspüren in eigener Sache.

Und daraus entsteht dann als Nebenprodukt Poesie.

Alles im Fluss.

Könnte sein

Morgenkaffee

Könnte sein, 
dass ich bleibe,
eine Weile, 
eine Spanne Zeit,
bereit, zu trauen.
Deinen Worten, deiner Nähe.

Könnte sein, 
dass das Fernweh,
gelassen, geduldig,
fast träge wird
und ich Wurzeln schlage.
Hier, nah bei dir.

Könnte sein, dass ich
wie ein Birnbaum,
herzwurzelnd, 
in deinem Garten
wachse, gedeihe, 
Früchte trage.
Keine Frage. 
Könnte sein. 

Poetenliebe

Erdbeere & Birne.

Bade mich in Poesie,
hüll mich ein
in Reime.
Schenk mir deine
Dichterkunst,
und ich bin
die Deine.
Worte lass wie
Küsse sein,
Verse Schokotrüffel,
die Romantik,
en nature,
lass uns beide
süffeln.
Und im Liegestuhl
der Zeit
aneinander reimen,
so könnt’ es
für immer sein.
So lassen wir‘s
bleiben. 

Blau zu Schwarz

Japanische Zierkirsche in meinem Garten.

Die Federspitze,
durstig Kiel,
taucht einmal noch
ins Blaue.
Buchstaben fliehen 
dem Papier,
können sich selbst
nicht trauen. 

Die Federspitze,
durstig Kiel,
taucht ein in
schwarze Tinte.
Sie kommt, sie bleibt,
dann geht sie fort,
verloren jede Finte. 

Ganz federleicht,
beschwingt im Wind,
hebt sie sich in die
Sphäre.
Egal ob schwarz oder
ob blau,
es war ihr eine Ehre. 

So fliegt sie nun,
an Leben reich, 
in andere Farbenkreise,
sie tut es leise,
tut es still,
ins Weiße geht
die Reise. 

Mittlere Minne

Als du sie genommen hast,
statt meiner, 
so klar und zart und leise,
bevor sie den Gipfel 
der Lava Torte,
schmelzend, ein Fest, 
besteigen konnte, 
auf ihre Weise,
die kleine, flinke Ameise.

Als wir da standen, 
am Tresen, wie Pennäler,
schüchtern, 
in der Pause mit 
Rhabarber Brause,
und du zu mir
und dir sagtest, 
kaum hörbar, 
cool bleiben.

Da wollte ich, 
wieder geboren,
auf dich klettern 
bis zu den Ohren,
damit du mich,
nimmst, in deine Hände,
klar, zart und leise, 
wie die Ameise,
auf dem Tresen.

Dimensionen

Liebe ist eine ernsthafte Geisteskrankheit, postulierte Mister Platon. Inwieweit er sich über die Genialität und Heilkraft Besagter äußerte, habe ich vergessen und stütze mich auf eigene Erfahrungen. Liebe. Es geht nichts drüber, wenn sie die Spielarten ihres Seins und Werdens wachsen und gedeihen lässt. Wenn ihre Wurzeln so stark werden, dass ein Vergehen sich in immer neues Treiben transformiert. Liebe macht Spaß! Und manchmal ein bisschen gaga. Schenken wir sie uns und denen, die sie gerne und in Vollendung mit uns teilen möchten. In all ihren schillernden Erscheinungsformen.

Zu dem Stückchen Musik:

Wie bei fast allen meinen Stücken habe ich mein Können und Wollen dem Loslassen, und dem Kommen lassen untergeordnet. Allein die Erfahrungen und Begegnungen, die Gespräche, das Spüren vom heutigen Tag, flossen hinein in die Tasten. Ein bisschen schräg, ja, vielleicht unverständlich, vielleicht anstrengend. Vielleicht auch was ganz anderes. Vielleicht unantastbar süß.

Die süße Unantastbarkeit,
sie öffnet sich,
fragil.
Die süße Unantastbarkeit,
braucht freies 
Farbenspiel. 
Die süße Unantastbarkeit,
subtile Dimension.
Weitet sich aus,
und öffnet sich
die süße Unantastbakeit
gleich zart gefärbtem
Pinselstrich
und manchem schrägen
Ton. 

Kein Wort

Rosen im Stadtpark von Funchal/Madeira, 2024

Kein Wort ist so fein,
geschliffen und zart,
so groß, 
voller Staunen,
allumfassend, 
apart,
so tief berührend,
so voller Elan, 
ätherisch,
majestätisch, 
voll
mystischem Charme.

Kein Wort, 
keiner Sprache,
kommt nah an das dran.
An das Eine.
Ich schweige, 
weil ich’s
nicht sagen kann.

Übersinnlich

Madeira. Tropischer Garten, 2024

Deine Gedanken
gelesen, geträumt,
durch die Wand,
ohne Tür,
warst du hier.
Hab’s gespürt,
als wärs wahr,
als wärst du
mir ganz nah.
Dein Schmiegen,
mich halten,
keine Angst
vor Gewalten
der Sinne,
die irgendwie drüber
sind,
denn sie borgen,
dem Morgen
ein sonniges Kleid.
Das Gestern, das Heute,
verschwommene
Zeit. 

Neuschnee in Finnland

Tuoretta lunta Suomessa

Für Kara

Das erste Mal sahen wir uns im Fahrstuhl und es war, als würden sich unsere Seelen im Bruchteil dieses Augenblicks erkennen.

Immer wenn mir so etwas passiert und ich darüber schreibe, fühle ich mich merkwürdig und denke: klar ist das so passiert, klar verwirrt das deinen Verstand.

Und dann lasse ich mich früher oder später doch darauf ein.

Es gibt sie, diese Art von Seelenverwandtschaft! Manchmal ist es nur eine kurze Begegnung, besagter Augenblick, manchmal währt sie länger und ist mitunter eine echte Herausforderung. Eines ist immer gleich: das Erkennen im Blick und der leichte, kribbelige Schauer, der im Nacken beginnt und sich dann bis in den Solar Plexus zu einem Kreis, aus dem ein pulsierender Punkt wird, zusammenzieht.

Kara ist Finnin, 82 Jahre alt und Künstlerin. Sie ist Dichterin und Bildhauerin. Jedes Jahr im Sommer verbringt sie drei Monate in ihrem kleinen Haus im hohen Norden Finnlands. Hier ist ihre Heimat nach hierher sehnt sie sich.

Das erfahre ich am Abend vor unserer Abreise von Jan, Karas Schwiegersohn.

Karas und mein Blick sind uns während unserer gemeinsamen Zeit immer wieder begegnet, begleitet von einem zarten Lächeln.

Beim Frühstück, beim Abendessen.

Kara hat uns gestern freudestrahlend ein Foto gezeigt, das ihre Schwester ihr aus Finnland per WhatsApp geschickt hat: Es schneit zuhause, hat sie gesagt, erzählt Jan.

Und ich lächle.

Neuschnee in Finnland.

Von Weitem

Flamingos, Tropischer Garten, Funchal/ Madeira

Heute sah ich dich
seit Langem. 
Hast gelächelt,
mich gefangen,
deine Blicke,
deine Sätze;
fast vergessen
hätt‘ ich,
schätze,
was du bist 
für mich,
von Weitem,
wichtig, nah,
seit langen 
Zeiten. 

Heute sah ich dich 
von Weitem. 
Macht kein‘ Sinn
es zu bestreiten.
Bist ein Teil von
mir geblieben.
Kann dich wie
mich selber
lieben. 

Heute fühlte ich
dich nah.
Heute,
als ich dich
von Weitem 
sah.